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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 10.12.2007
Aktenzeichen: 12 U 33/07
Rechtsgebiete: ZPO, StVO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 286 | |
StVO § 10 | |
BGB § 823 |
2. Kommt es nämlich in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Anfahren vom Fahrbahnrand/Fahrstreifenwechsel zu einer Kollision zwischen dem Anfahrenden und dem nachfolgenden Verkehr, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine schuldhafte Unfallverursachung durch den Anfahrenden/Fahrstreifenwechsler.
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 12 U 33/07
In dem Rechtsstreit
hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß, die Richterin am Kammergericht Zillmann und den Richter am Kammergericht Spiegel am 10. Dezember 2007 beschlossen:
Tenor:
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.
Gründe:
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat folgt den im Wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet worden sind. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
Nach § 513 Absatz 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist nicht der Fall.
1. Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass die für einen Auffahrunfall entwickelten Rechtsgrundsätze vorliegend keine Anwendung finden. Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden setzt voraus, dass beide Fahrzeuge - unstreitig oder erwiesenermaßen - so lange in einer Spur hintereinander hergefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangenen Fahrzeugbewegungen hätten einstellen können (OLG Celle VersR 1992, 960; OLG München, Urteil vom 21. April 1998 - 10 U 3383/88 - NZV 1989, 438; KG, Urteil vom 21. November 2005 - 12 U 214/04-DAR 2006,322= NZV 2006,374= VRS 110,253= KGR 2006,349).
Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden versagt schon bei regelmäßigem Verkehrsfluss dann, wenn der Vorausfahrende erst einige Augenblicke vor dem Auffahrunfall vom rechten Fahrbahnrand angefahren und sogleich über den mittleren Fahrstreifen hinaus in den linken, vom Auffahrenden befahrenen Fahrstreifen gewechselt hat (vgl. KG, Urteil vom 22. Januar 2001 - 22 U 1044/00 - KGR 2001, 93 m. w. N.). Auf die Frage, in welchen Bereichen die Unfallfahrzeuge geschädigt wurden, kommt es deshalb in diesem Zusammenhang nicht an.
2. Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass die zu § 10 StVO entwickelten Grundsätze anzuwenden sind. Kommt es nämlich in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Anfahren vom Fahrbahnrand / Fahrstreifenwechsel zu einer Kollision zwischen dem Anfahrenden und dem nachfolgenden Verkehr, spricht nach der ständigen Rechtsprechung des Kammergerichts der Beweis des ersten Anscheins für eine schuldhafte Unfallverursachung durch den Anfahrenden/Fahrstreifenwechsler (vgl. KG, Urteil vom 12. Juni 2003 - 22 U 134/02 - KGR 2003, 272 m. w. N.).
3. Zu Recht führt das Landgericht aus, dass der Kläger eine Mitverursachung des Unfalls durch die Beklagte zu 2) nicht bewiesen hat, wobei dahinstehen kann, ob der klägerische Schriftsatz vom 24. November 2006 mit den darin erstmalig enthaltenen Beweisantritten dem Landgericht überhaupt fristwahrend zugegangen ist.
a) Für seine Behauptung, die Beklagte zu 2) sei durch ein Handytelefonat -unfallursächlich-abgelenkt gewesen, hat der Kläger erstinstanzlich keinen Beweis angeboten.
b) Für seine Behauptung, die Beklagte zu 2) hätte den Zusammenstoß abwenden können, wenn sie rechtzeitig gebremst hätte oder auf die freie Mittelspur ausgewichen wäre, hat der Kläger erstinstanzlich als Beweismittel " Sachverständigengutachten" und "Parteivernahme" angeboten.
aa) Die Beauftragung eines Sachverständigen kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil bewiesene Anknüpfungstatsachen zu den unfallrelevanten Abständen zu bestimmten Zeitpunkten nicht feststehen, der Kläger insbesondere nicht dargelegt und bewiesen hat, wann sein Fahrverhalten für die Beklagte zu 2) so erkennbar war, dass sie Veranlassung hatte, darauf zu reagieren.
bb) Dem Beweisangebot "Parteivernahme" musste das Landgericht schon deshalb nicht nachgehen, weil diesem nicht zu entnehmen war, auf welche Partei es sich bezieht. In Betracht kommt insoweit neben der Beklagten zu 2) (§ 445 ZPO) auch der Kläger selbst (§ 447 ZPO).
c) Soweit sich der Kläger erstmalig im zweiten Rechtzug zum Beweis für eine Mitverursachung des Unfalls durch die Beklagte zu 2) konkret auf deren Vernehmung beruft und als Zeugen die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten benennt, können diese Beweismittel gemäß § 531 Absatz 2 ZPO nicht zugelassen werden.
Insoweit wird zur Abrundung darauf hingewiesen, dass auch die Polizei allein den Kläger als Verursacher des Unfalls angesehen und gegen ihn ein OWI- Verfahren wegen sorgfaltswidrigen Fahrstreifenwechsels eingeleitet hat.
4. Der sowohl vor einem Anfahren als auch vor einem Fahrstreifenwechsel anzuwendende hohe Sorgfaltsmaßstab gebietet es in Fällen wie dem vorliegenden, die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Auffahrenden nicht zu berücksichtigen (vgl. KG, a. a. O.); das gilt erst recht, wenn, wie hier, der Fahrstreifenwechsel sofort nach dem Anfahren vom Fahrbahnrand vorgenommen wird, um sogleich durch einen Mittelstreifendurchbruch zu wenden. 5. Im Übrigen hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich.
Es wird daher angeregt, die Fortführung der Berufung zu überdenken.
Ende der Entscheidung
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